Coaching-Bericht über das angeleitete Selbstcoaching einer nicht-krankhaften Spinnenangst mit EMDR und der EMDR-Brille REMSTIM 3000
Als Heike (Name geändert) zu mir kam, fürchtete sie sich vor Spinnen. Sie sagte, sie sei nun schon 41 Jahre alt geworden mit ihrer Spinnenangst und glaube nicht wirklich daran, ihre Furcht vor diesen ekligen 8-beinigen Monstern überwinden zu können. Aber ihre beiden Söhne waren mittlerweile 10 und 7 Jahre alt und zogen sie mit ihrer Reaktion auf Spinnen auf. Sie wohnte mit ihrer Familie im Grünen und Insekten gehörten zum Alltag. Sicher war ihr bewusst, dass es in Deutschland keine wirklich gefährlichen Spinnen gibt; bis auf wenige, jüngst aus dem Süden immigrierte Spinnenarten, könnten die alt-heimischen Arachniden wohl nicht einmal die menschliche Haut mit ihren Beißwerkzeugen durchdringen. Aber ihr Wissen um die Spinnen half ihr nicht wirklich viel bei ihrer Angst und der damit einhergehenden emotionalen Reaktion.
Allein beim Anblick einer kleinen Spinne stieg Ekel und Furcht in ihr auf. Ihr Magen verkrampfte sich, und in ihrem Hals nahm sie fast immer einen leichten Würgreiz wahr. Gleichzeitig überzog häufig eine Gänsehaut fast ihren gesamten Körper.
Heike hatte sich für einen 1:1 Intensiv-Workshop bei mir angemeldet. Denn sie hielt es für eine gute Idee, nicht nur ihre Spinnenangst loszuwerden sondern gleichzeitig auch noch zu lernen, wie sie sich mit EMDR selbst coachen konnte, um sich auch bei anderen Themen selbst helfen zu können.
Bereits im Vorgespräch am Telefon hatte ich durch gezielte Fragen den Eindruck gewonnen, dass Heikes Angst mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht krankhafter Natur war. Denn weder
- sah sie ihre eigene Handlungsfähigkeit maßgeblich eingeschränkt
- noch beherrschte sie den Alltag und
- auch ihre eigene Gefühlswelt war nicht dauerhaft belastet.
Wäre dem so gewesen, hätten Anzeichen für eine ernstzunehmende Angsterkrankung vorgelegen, die ggf. einer therapeutischen Behandlung bedurft hätten.
Auch war ihre Reaktion
- nicht unangemessen stark in Bezug auf den Auslöser
- trat nicht ohne Grund auf
- und konnte auch auf vernünftiger Basis erklärt werden
Auch die letzten 3 Punkte wiesen darauf hin, dass es sich bei ihrer Furcht um einen Zustand nicht-krankhafter Angst handelte.
Der 1:1 Intensiv-Workshop beginnt
Heike saß nun vor mir in einem bequemen Sessel und machte sich unter meiner Anleitung mit der EMDR-Brille REMSTIM 3000 vertraut. Das ging äußerst schnell, da die Bedienung zweier Knöpfe schnell erklärt war.
Ich klärte Heike über mögliche Nebenwirkungen des EMDR-Coaching auf und teilte ihr erneut mit, dass es sich hier um ein Coaching, insbesondere um ein Selbstcoaching handelte, in dessen Sitzungen in keinem Fall Krankheiten oder andere Leiden geheilt oder gelindert werden. Allein der Versuch der Behandlung von Krankheiten muss im Coaching und Selbstcoaching mit EMDR ausgeschlossen sein. Krankheiten können ausschließlich im Rahmen einer Therapie im Beisein eines ausgebildeten Therapeuten behandelt werden. Im Zweifelsfall würde ich ihr gerne auch solch eine EMDR-Therapie zu einem anderen Zeitpunkt anbieten, heute waren wir zu einem (Selbst)Coaching-Workshop zusammengekommen. (Wichtige Informationen)
Heike war sich darüber im Klaren und auch meine wiederholten Fragen bestätigten mir, dass Heike´s Angst nicht krankhaft war.
So dann starteten wir mit der Selbstcoaching-Sitzung im Rahmen des 1:1 Workshops, in dem ich sie 3 Stunden dazu anleiten würde.
Der 1. Schritt: das Thema bestimmen
„Heike, wir starten mit dem 1. Schritt. Leg bitte die Brille nun zur Seite, am besten auf den kleinen Tisch neben dir. Bitte stell dir jetzt die schlimmste Situation in Hinsicht auf deine Spinnenangst vor“, bat ich Heike.
Heike lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schloss die Augen. „Soll ich an eine bestimmte Situation denken oder mir eine fiktive vorstellen“, fragte Heike.
„Wenn dir eine konkrete Situation einfällt, nimm diese. Sollte dir eine fiktive bereits vor Augen schweben, nimm sie. Letztlich ist es egal, was dir deine Erinnerung anbietet. Dein Gehirn kann in seiner Vorstellung sowieso nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden“, erwiderte ich.
„Ok, ich habe ein Bild vor Augen, wie ich morgens im Badezimmer den Spiegelschrank über dem Waschbecken öffne, um meine Zahnbürste und Zahnpasta herauszunehmen. Und da sitzt eine große schwarze Spinne mit langen Beinen“, erzählt sie, während ihr Brustkorb beginnt, sich bei einem tiefen Einatmen sichtlich zu dehnen. Heike reagiert bereits, während sich offensichtlich in Ihrem Kopf ein Bild formt und Sie die Worte ausspricht.
Der 2. Schritt: die Emotionen bestimmen
„Heike, dein Bild scheint gut zu sein, du reagierst bereits. Wir kommen zum 2. Schritt: welche Emotion beschreibt dein Gefühl, dass du gerade erlebst, am besten?“, frage ich sofort.
Heike schluckt und sagt: „Ich würde sagen, es ist Ekel und Angst.“
„Ok“, mache ich weiter: „Wenn du auf einer Skala von -10 bis +10 den Grad deiner jetzigen emotionalen Belastung einzuordnen versuchst, welche Zahl beschreibt ihn am besten?
-10 ist die heftigste Belastung, die du dir vorstellen kannst, 0 ist eine neutrale innere Ruhe und +10 zeigt, dass es dir nicht besser gehen könnte. Also, welche Zahl auf der Skala wählst du spontan. Es gibt kein Richtig oder falsch.“
„Mh, ok, ich würde sagen, eine -4. Ja, eine -4 beschreibt es am besten“, schätzt Heike und nickt.
Der 3. Schritt: die Körperempfindungen bestimmen
„Ok, nun zum 3. Schritt: Bleib bei deinem Bild mit der schwarzen Spinne, nimm deinen Ekel und deine Angst wahr und nun spüre in deinen Körper hinein. Ist da irgendeine Körperempfindung?“, frage ich Heike.
„Ja, ich fühle ein Unwohlsein im Bauch, und mein Hals zieht sich zu. Ich kann schwerer atmen. Mein Herz schlägst schneller.“
Der 4. Schritt: EMDR-Intervention mit dem REMSTIM 3000
Ich sage: „Jetzt der 4. Schritt: Bleib dabei und setz jetzt die Brille auf. Nimm dein Bild, deine Emotionen und achte auf deine Körperempfindungen. Hast du alles?“
„Ist schwierig, alles zusammen zu führen. Doch ok, ich hab´s“, meint Heike.
„Gut, dann starte jetzt die Brille mit dem linken Taster wie ich es dir gezeigt habe. Bleib sitzen und atme ruhig weiter, während du dem Lichtpunkt folgst“, bitte ich Heike.
Heike findet den Taster und drückt ihn und legt nun auch ihre linke Hand auf die Armlehne. Sie sitzt ruhig da und atmet, und ich bemerke die übliche aber kaum merkliche horizontale Hin- und Her-Bewegung ihres Kopfes, welche die meisten Neuanwender der Brille ausüben und den Beobachter die ausgeführten Augenbewegungen nachempfinden lassen.
Nach ca. 20 Sekunden sage ich: „Wenn das gelbe Licht erscheint, atme tief ein, während du den 3 Lämpchen mit deinem Blick nach oben folgst. Sobald das Licht erloschen ist, atme tief aus und lass innerlich los. Behalt die Brille auf!“ So bleibt es dunkel für sie.
Ich vernehme Heikes tiefes Ausatmen. Sie sitzt nun still und unbewegt mit der Brille da.
Ich frage nach einer kurzen Pause: „Was ist jetzt?“
Heike atmet ein und erwidert: „Irgendwie ist die Spinne kleiner geworden, sie sitzt zwar immer noch vor mir im Schrank. Meine Atmung ist aber ruhiger. Ich habe jetzt einen Kloß im Hals und im Bauch ein schwaches aber immer noch flaues Gefühl.“
„Mach damit weiter und starte erneut die Brille“, fordere ich sie auf.
Heike tut es und sitzt ruhig da. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich langsam in einem Fort. Ich sehe, dass sich Heikes Mimik leicht verändert. Nach 30 Sekunden endet die Stimulation der EMDR-Brille und Heike atmet tief aus. Wieder verharrt Sie mit aufgesetzter Brille.
„Und was ist jetzt?“, frage ich erneut nach eine Weile.
„Die Spinne sitzt jetzt draußen auf dem Fensterbrett, mein Hals fühlt sich kratzig an. In meinem Bauch ist jetzt ein warmes angenehmes Gefühl“, erklärt Heike.
„Ok, bleib beim Kratzen in deinem Hals und drücke die Taste auf der Brille!“, sage ich.
Heike führt ihr drittes Set mit dem REMSTIM 3000 durch. Nach kurzer Zeit atmet sie wieder tief aus.
Ich lass Heike eine Weile ungestört, dann frage ich: „Und jetzt; was ist jetzt?“
Heike sagt nichts. Sie bleibt ruhig sitzen mit der Brille auf der Nase. Nach eine Weile sehe ich ein Schmunzeln um ihren Mund. Dann sagt sie: „Es ist ruhig, ganz ruhig in meinem Kopf. Kein Kratzen mehr im Hals. Mein Bauch ist entspannt.“ Sie verstummt.
Ich frage: „Und die Spinne?“
Heike lacht: „Die ist weg. Ich sehe sie nicht mehr!“
„Ist das gut so?“, frage ich.
„Das ist egal!“, antwortet Heike.
„Heike, nimm die Brille bitte ab!“
Heike tut es und blinzelt mich ein wenig an.
Der 5. Schritt: Restempfindungen verarbeiten
„Lass uns nun den 5. Schritt machen: Stell dir nun noch einmal eine Spinne vor und spüre dabei nochmal in deinen Körper hinein. Findest du irgendwo noch unangenehme körperliche Restempfindungen?“, frage ich.
„Das ist schwierig, ich kann mir momentan nicht wirklich eine Spinne vorstellen. Das Bild bleibt unscharf. Außerdem bin ich recht müde“, woraufhin Heike gähnt. „Aber mein Körper ist ruhig; ich spüre nichts Negatives“, fügt sie hinzu.
Der 6. Schritt: Verankerung zum Abschluss
Ich nicke und sage: „Ok, nun zum Abschluss der 6. Schritt: Angenommen, ich würde dich auffordern, den ersten positiven Gedanken zu deinem Spinnen-Thema in deinem Kopf zu formulieren, der dir einfällt, wie würde der lauten? Versuch es, ganz spontan!“
Heike zögert, blickt mich fragend an. Ich bleibe stumm und blicke auffordernd zurück.
Dann sagt sie: „Jede Wespe ist gefährlicher als unsere Spinnen hier, und die finde ich höchstens lästig. Spinnen sollen sogar nützlich sein, habe ich mal gehört!“ Sie schmunzelt.
„Gut“, sage ich: „Setz jetzt nochmal die Brille auf. Denk an deinen Satz, insbesondere an den Abschnitt, dass Spinnen sogar nützlich sein sollen und starte die Brille!“
Danach nimmt Heike die Brille ab und fragt mich: „Und das war es jetzt? Habe ich jetzt keine Angst mehr vor Spinnen?“
Ich antworte: „Das wirst du bald herausfinden. Ich gehe aber davon aus. Denn wie du eben erleben durftest, hat sich deine emotionale und körperliche Reaktion auf eine Spinne stark verändert, wenn nicht sogar aufgelöst“
Ich bitte Heike um Ihre Einschätzung: „Wenn du nun wieder auf einer Skala von -10 bis +10 den Grad deiner emotionalen Belastung einzuordnen versuchst, welche Zahl beschreibt ihn jetzt am besten?“, frage ich unumwunden.
„0“, antwortet Heike.
Ich erkläre ihr: „Heute Nacht kommt es möglicherweise noch zu einem sogenannten Nachprozessieren. Reste deiner Erinnerungen werden im Gehirn, während du schläfst, neu verarbeitet und integriert. Morgen wird sich deine Wahrnehmung bzgl. Spinnen sicher nochmals verändert haben; ich gehen davon aus: positiv. Sei einfach wachsam und beobachte!
Diesen EMDR-Selbstcoaching-Prozess mit der EMDR-Brille REMSTIM 3000 kannst du ab sofort jederzeit selbst durchführen. Folge einfach der Anleitung, während du dir für dein jeweiliges Thema einen Moment Zeit nimmst“
„Das war wirklich einfach. Ich vermute, ich hätte das Selbstcoaching auch ohne deine Hilfe und nur mit der Anleitung durchführen können, oder?“ fragt Heike.
Ich nicke: „Das ist korrekt! Dafür habe ich die Selbstcoaching-Methode und die EMDR-Brille REMSTIM 3000 entwickelt.“
Heike erwidert: „Ach, so war es schon gut. Ich lass mich lieber bei so was einweisen. Das gibt mir ein gutes und sicheres Gefühl. Aber was machen wir jetzt mit dem Rest der Zeit unseres 1:1 Workshops.“
Ich lache: „Na was wohl? Wir nehmen uns dein nächstes Thema vor, auf dessen emotionale Reaktion du gern verzichten könntest. Ich habe noch niemand erlebt, dem da nicht sofort 2 oder 3 Themen einfielen. Was meinst du?“
„Klar, da fällt mir sofort was ein!“, antwortet Heike.
Heike berichtete später, dass sie ihre Spinnenangst wirklich überwunden hatte. Sie meinte, dass sie zwar Spinnen nach wie vor nicht streicheln möchte (eine leichte Abneigung blieb ihr erhalten), dennoch blieben ihr ihre alten emotionalen und insbesondere körperlichen Angst-Reaktionen beim Anblick einer Spinne erspart.
Schlussbemerkung
Es ist mir wichtig, an dieser Stelle anzuführen, dass sich die 6 EMDR-Selbstcoaching-Schritte vom originären EMDR-Protokoll unterscheiden. Der Selbstcoaching-Prozess ist kürzer und lässt bewusst gewisse Punkte aus, weil sie sich im Selbstcoaching als nicht zwingend nötig erwiesen haben und andererseits sogar häufig den Selbstanwender überforderten. Die Erfahrung zeigt, dass sich dadurch im Coaching das Ergebnis einer EMDR-Selbstanwendung in der Regel nicht verschlechtert. Im Gegenteil, die bewusst einfach gehaltene Anleitung ermöglicht gerade vielen Selbstanwendern einen reibungslosen Ablauf des EMDR-Selbstcoachings mit guten Ergebnissen.
Der Erfahrungsbericht oben ist verkürzt, es wurden mehr als 3 EMDR-Interventionen im 4. Schritt mit der EMDR-Brille durchgeführt, bis sich das positive und letztlich bestmögliche Ergebnis einstellte.
Auch reagiert jeder Selbstanwender anders.
Herzlichst,
Ihr Thomas Buhl